Lenk- und Ruhezeiten einhalten!?

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Die Lenk- und Ruhezeiten sind immer wieder ein Streitpunkt, doch wenn es zu einem Verkehrsunfall mit Lkw-Beteiligung kommt, ist der Anteil der Schwerverletzten oder Getöteten daran mit etwa 30 Prozent überdurchschnittlich hoch.

Inhalt

  1. Lkw-Unfälle mit schweren Folgen
  2. Untaugliche Mittel
  3. Konsequenzen für Frachtführer und Spediteure
  4. Lenk- und Ruhezeiten: Bessere Kontrolle eingefordert
  5. Digitalisierung für effizientere Kontrollen der Lenk- und Ruhezeiten
  6. Datenschutz verhindert automatische Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten

Aktuell: Der neue digitale Tachograph DTCO 4.0

Vorweg eine aktuelle Information: oft taucht die Frage auf, ob der neue Digitale Tachograph DTCO 4.0 die aufgezeichneten Lenk- und Ruhezeiten bei der Prüfung im Vorbeifahren überträgt. Dies kann man im Detail hier nach dem Videoclip nachlesen.

1. Lkw-Unfälle mit schweren Folgen

LOGISTICFACTS

Folgende Regelungen gelten zur Lenkzeit:

  • Tageslenkzeit:
    Maximal 9 Stunden pro Tag, zweimal wöchentlich Erhöhung auf 10 Stunden möglich
  • Wochenlenkzeit:
    Maximal 56 Stunden in der Woche, höchstens 90 Stunden in zwei aufeinanderfolgenden Wochen
  • Unterbrechung der Lenkzeit muß nach maximal 4,5 Stunden erfolgen, Pause muss mindestens 45 Minuten betragen
  • Pausen können in 15 und 30 Minuten aufgeteilt werden, die zweite Pause muss länger sein als die erste
  • Zweite Lenkzeit darf höchstens 4,5 Stunden betragen
  • Bei Erhöhung der Lenkzeiten auf 10 Stunden/Tag: weitere 45 Minuten Pause nach zweiter Lenkzeit sind einzuhalten

Kein Wunder, denn wo ein 40-Tonnen-Fuhrwerk ungebremst auf ein Stauende prallt, gleicht der Unfallort einem Trümmerfeld, dessen Anblick auch hartgesottene Rettungskräfte zutiefst bewegt. Zu diesem traurigen, gleichwohl nicht überraschenden Ergebnis kam der Jahresbericht der Versicherer „Unfallforschung der Versicherer 2017“.

Überforderung der Fahrer

Die immer noch zu hohe Zahl an verschuldeten Unfällen mit Lkw-Beteiligung ist neben technischen Mängeln, Überladung oder falsch gesicherter Ladung vor allem der Überforderung der Fahrer geschuldet. Im zitierten Jahresbericht äußerten zwei Drittel der befragten Lkw-Fahrer, wöchentlich mehr als 50 Stunden zu arbeiten.

Lenk- und Ruhezeiten als Problem

Bleibt das Arbeitszeitvolumen auf eine einzelne Woche beschränkt, stellt es keinen Verstoß gegen die geltenden Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten dar.

Schließt sich aber eine zweite oder gar dritte Woche mit gleicher Arbeitszeit an, ist die gesetzlich vorgeschriebene Lenkzeit von maximal 90 Stunden der Doppelwoche überschritten. Und werden zudem die vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht eingehalten, führt dies unweigerlich zur Übermüdung der Fahrer.

Im Jahresbericht gaben etwa ein Drittel der Fahrer an, Probleme bei der Einhaltung der vorgeschriebenen Pausen zu haben.

Die Lenk- und Ruhezeiten sind im Fahrpersonalrecht und hier insbesondere in der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des EU-Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr geregelt.

2. Untaugliche Mittel

LOGISTICFACTS

Für Ruhezeiten gelten folgende Regelungen:

  • Ruhezeiten sind am Stück zu nehmen und dienen der Erholung des Fahrers.
  • Der LKW darf während Ruhezeit nicht fahren und muss über eine Schlafkabine verfügen, falls der Fahrer diese in der Kabine verbringen will.
  • Eine regelmäßige tägliche Ruhezeit muss mindestens elf Stunden betragen.
  • Eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit muss mindestens 45 Stunden betragen, diese darf nicht unterbrochen werden.
  • Die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden folgt auf einen Zyklus von 6 x 24 Stunden.
  • Die tägliche Ruhezeit kann in drei- und neunstündigen Abschnitt aufgeteilt werden.
  • Fahrer von LKWs dürfen im kombinierten Güterverkehr die tägliche Ruhezeit für zwei Mal unterbrechen, wobei diese Unterbrechung höchstens eine Stunde zwischen zwei Wochenruhezeiten betragen darf.
  • Ruhezeiten für Fahrer können verkürzt werden, jedoch höchstens für drei Mal.
  • Wochenruhezeit darf auf 24 Stunden verkürzt werden, wenn in der vorigen oder folgenden Woche die reguläre Ruhezeit von 45 Stunden eingehalten wird.

Obschon Lkw über Assistenzsysteme mit Notbremsfunktion verfügen, verringern die elektronischen „Wächter“ die Zahl der Unfälle kaum.

Kein Wunder, denn die Systeme werden von den Fahrern nicht selten deaktiviert. Schließlich behindern sie jedes Überholmanöver, für welches der Windschatten des vorausfahrenden Trucks genutzt wird. Oder sie sorgen für stetiges Ungemach in Staus, wenn sich Pkw-Fahrer in die knappen Lücken vor die Lkws drängeln und das Assistenzsystem eine abrupte Bremsung einleitet.

Nicht zuletzt auch, um Fahrern die Möglichkeit zu geben, ihre Wochenruhezeiten optimal gestalten zu können, hat der Europäische Gerichtshof unlängst beschlossen, dass diese künftig nicht mehr in der Fahrerkabine, sondern in Hotels (Gesetzlicher Begriff: eine „geeignete Schlafmöglichkeit“) verbracht werden sollen. Ob sich das in der Praxis umsetzen lassen wird, bleibt abzuwarten.

Sicher ist, dass diese Regelung der Hotelbranche nutzen wird. Zumindest den autobahnnahen Häusern, die über ausreichend große Parkplätze für Lastzüge verfügen. Das dürften so viele allerdings nicht sein.

3. Konsequenzen für Frachtführer und Spediteure

Der Gesetzgeber belegt die Überschreitung der Lenkzeit der Lenkzeitunterbrechungs- und Ruhezeiten nicht nur mit Bußgeldern in empfindlicher Höhe. Für die Nichteinhaltung der Vorschriften werden neben den Fahrern zudem die Unternehmen zur Kasse gebeten. Im Falle eines Unfalls können sie sogar in die Haftung genommen werden.

So ist der Frachtführer verpflichtet, eine realistische und den jeweiligen Verkehrsbedingungen angepasste Tourenplanung vorzunehmen. Sind die Vorgaben und Termine zu knapp bemessen, sind keine Staus oder anderweitige Verzögerungen einkalkuliert oder wird dem Fahrer gar mit Konsequenzen gedroht, wenn er nicht pünktlich liefert, lädt das zur Missachtung der Vorgaben geradezu ein.

Infografik: Bußgeld-Katalog "Lkw Lenk- und Ruhezeiten"

Infografik: Bußgeld-Katalog „Lkw Lenk- und Ruhezeiten“

4. Lenk- und Ruhezeiten: Bessere Kontrolle eingefordert

Die Bemühungen der EU-Verkehrsminister, die Sozialstandards für Lkw-Fahrer durch gleichen Lohn für alle und strengere Auslegung der Lenk- und Ruhezeitregelungen wie beispielsweise die wöchentliche Ruhezeit außerhalb des Führerhauses anzugleichen, wirken wenig, wenn ihre Durchsetzung nicht auch hart kontrolliert wird. Gemäß einer Umfrage bei den zuständigen Landesbehörden erfolgen Kontrollen in Deutschland je nach Bundesland in höchst unterschiedlicher Intensität. So werden Lkw in Baden-Württemberg durchschnittlich alle 31.000 Kilometer, in Sachsen indes nur alle 160.000 Kilometer von der Polizei überprüft. „Die besten Rahmenbedingungen sind sinnlos, wenn nicht darauf geachtet wird, dass sie eingehalten werden“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann in einem Artikel der Verkehrsrundschau vom 8. November 2018.

Verstöße sollten bereits in den Unternehmen geprüft werden

Die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sind per Gesetz auch in den Unternehmen selbst zu überprüfen. Die regelmäßige Speicherung, Archivierung sowie das Auslesen der Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten gehören zu den Pflichten eines jeden Speditionsunternehmens.

Kommt es zu Lenk- oder Ruhezeit-Verstößen, sind die Fahrer entsprechend zu belehren. Zwar stehen den Unternehmern dazu moderne Flottenmanagement Software wie beispielsweise FleetVisor von Astrata oder TIS-Web von VDO zur Verfügung.

Offen bleibt indes, ob hier nicht manchmal der Bock zum Gärtner gemacht wird. Nach deutschem Recht wird allerdings der „Bock“ für fahrpersonalrechtliche Verstöße in aller Regel mit einem dreimal höheren Bußgeld belegt als der Fahrer.

5. Digitalisierung für effizientere
Kontrollen der Lenk- und Ruhezeiten

LOGISTICFACTS

Anforderungen an den Fahrtenschreiber:

  • Daten zu Fahrern und Tätigkeiten sowie zum Lkw müssen genau und zuverlässig aufgezeichnet werden.
  • Daten sind sicher aufzuzeichnen und müssen Fahrzeugeinheiten und Bewegungssensoren zuordenbar sein.
  • verschiedene Generationen von Fahrzeugeinheiten und Fahrtenschreiberkarten müssen miteinander kommunizieren können.
  • Verordnung muss wirksam überprüft werden können.
  • Benutzerfreundlichkeit muss gegeben sein.

Eine Lösung könnte sich mit der neuen Tachographen-Verordnung (EU) 165/2014 abzeichnen. Sie sieht vor, dass alle ab dem 15. Juni 2019 neu zugelassenen Lkw mit einem so genannten intelligenten, digitalen Tachographen ausgerüstet sein müssen.

Die neue Tachographen-Generation wird es erlauben, Fernkontrollen am fahrenden Lkw vorzunehmen. Im Verdachtsfall werden die betreffenden Fahrzeuge dann einer genaueren Untersuchung unterzogen.

„Mithilfe einer DSRC-Schnittstelle wird ein bestimmter Datensatz an die DSRC-Leser vorbeifahrender Kontrollbeamte oder an eine entsprechende Infrastruktur wie beispielsweise am Straßenrand übermittelt“, sagt Frank Schmidt, Produktmanager bei VDO. Das Unternehmen hatte auf der IAA im September 2018 seinen neuesten intelligenten Tachographen, den DTCO 4.0, vorgestellt.

„Es werden aber lediglich Fahrzeugdaten und Informationen über Sicherheitsverletzungen oder Fehlfunktionen abgefragt“, erklärt Schmidt. Nur wenn eine Unregelmäßigkeit aufgedeckt wird, würden die jeweiligen Lkw angehalten, fährt Schmidt fort. Eine „automatische Bestrafung im Vorbeifahren“ wird es nicht geben.

Eine Liste der Verdachtsfälle und mehr zum DTCO 4.0 finden Sie hier.

Eine Überwachung der Lenk-und Ruhezeiten der Lkw-Fahrer kündigt sich durch DSRC-leser an, die an Schilderbrücken auf Autobahnen montiert werden können. (#1)

Eine Überwachung der Lenk-und Ruhezeiten der Lkw-Fahrer kündigt sich durch DSRC-leser an, die an Schilderbrücken auf Autobahnen montiert werden können. (#1)

Die mobile Abfragemöglichkeit wird es den Kontrollbehörden zwar nicht ermöglichen, Unregelmäßigkeiten bei den Lenk- und Ruhezeiten im Vorbeifahren zu erkennen. Wohl aber hilft die neue Tachographen-Technologie künftig, schwarze Schafe leichter zu identifizieren und damit das gesamte Kontrollwesen effizienter zu gestalten. Mit Blick auf die dünne Personaldecke bei den Kontrollbehörden ist diese Teil-Digitalisierung der Prüfprozesse sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Denkt man diese Entwicklung konsequent weiter, eröffnet sich einem schnell das Potenzial der Digitalisierung für mehr Sicherheit. So könnten sogar mit DSRC Leser ausgestattete Schilderbrücken künftig Fahrzeuge an die Kontrollbehörden weitermelden, deren Tachographen verdächtige Daten übermitteln.

6. Datenschutz verhindert automatische
Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten

LOGISTICFACTS

DTCO zeichnet die folgenden Daten zuverlässig auf:

  • Lenk- und Ruhezeiten von Fahrern und Beifahrern.
  • Arbeits- und Bereitschaftszeiten.
  • Berücksichtigung von Fähr- und Zugstrecken.
  • Geschwindigkeit in den letzten 168 Stunden der Lenkzeit. (gesetzlich 24h)
  • Gefahrene Strecke seit Stecken der Fahrkarte.
  • Spezielle Parameter wie Drehzahl, Geschwindigkeit des Fahrzeugs oder besondere Ereignisse am Lkw.

Heute verhindert allerdings noch der Datenschutz, dass Fahrer und Speditionen, die sich nicht an die Lenk- und Ruhezeitenregelung halten, automatisch identifiziert und sanktioniert werden können.

Die überwiegende Zahl der im neuen DTCO 4.0 gespeicherten Datensätze – darunter vor allem die Daten aus der Fahrerkarte mit den Angaben zu Lenk- und Ruhezeiten – sind nämlich als „persönlich“ klassifiziert. Sie dürfen erst aus dem Cockpit gegeben werden, wenn der Fahrer diese freigegeben hat.

Es mag diskutabel sein, inwieweit der Schutz von persönlichen Daten über den Schutz von Leben gestellt werden dürfte.

Am Ende würden von einer großzügigeren Auslegung auch die Fahrer und Transportunternehmen profitieren, die sich gesetzeskonform verhalten. Die Digitalisierung einer von Zeit- und Kostendruck geprägten Transport- und Logistikbranche hätte so nicht nur faireren Wettbewerb zur Folge. Sie brächte vor allem mehr Sicherheit auf die europäischen Straßen.


Bildnachweis: © shutterstock – Titelbild welcomia, #1 Vytautas Kielaitis

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