Wir alle sind erleichtert, wenn der Winter vorbei ist und die Tage länger und wärmer werden. Allerdings bedeuten Boom und sommerliche Temperaturen gleichzeitig für die Logistikbranche eher eine Belastung, denn die Nachfrage nach Fahrern und Kühlfahrzeugen erreicht ungeahnte Höhen. Damit zeigen sich dann Strukturprobleme, die das Transportgewerbe schon länger plagen.
TimoCom-Untersuchung liefert Daten
Das stellte die TimoCom GmbH, die die gleichnamige Vermittlungsplattform für Transportlösungen betreibt, in einer Untersuchung der über die Internetplattform abgewickelten Transportverträge fest. Zwischen Februar und Mai 2018 hat sich speziell die Nachfrage nach Kühltransporten nahezu verdreifacht. Die Folgen des Engpasses zeigen sich bereits im Handel. Dort zeigen sich Lücken in den Regalen, weil Produzenten ihre Ware nicht rechtzeitig genug auf den Weg zu den Abnehmern bringen können.
Der Engpass wird dadurch verschärft, dass auf dem Transportmarkt der Mangel an Transportkapazitäten auf die traditionell im Frühjahr steigende Nachfrage nach Transportraum stößt. „Wir beobachten, dass die Anzahl der Frachtangebote im Mai im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent gestiegen ist“, erläuterte TimoCom Business Analyst David Moog. Er sah den Grund dafür nicht nur in der anhaltend guten Konjunktur in Deutschland. Der ungewöhnlich warme Sommer tut ein übriges. „Der deutsche Supersommer lässt die Nachfrage nach temperaturgeführten Transporten explodieren“, so Moog weiter.
Das betrifft nicht nur den Transport von verderblichen Frischwaren wie Obst und Gemüse oder von Tiefkühlware. Auch schokoladenhaltige Artikel, Kosmetika oder Arzneimittel müssen innerhalb eines festgelegten Temperaturspektrums transportiert werden, wobei die Kühlkette durchgängig vom Hersteller bis zum Händler sichergestellt und dokumentiert werden muss. Die Experten bei TimoCom erwarten zudem keine Verbesserung der Situation – im Gegenteil: „Die angespannte Lage auf dem Transportmarkt wird sich im Laufe dieses Jahres weiter zuspitzen“, sagte TimoCom Company-Sprecher Gunnar Gburek.
Internetplattform TimoCom sieht bessere Auslastung als Ausweg
Diesen Schluss legt für die TimoCom-Experten die Entwicklung auf ihrer Handelsplattform nahe. Hier werden täglich bis zu 750 000 Fracht- und Laderaumangebote aus dem gesamten europäischen Raum eingestellt. Im Mai allerdings überstieg die Zahl der Angebote an zwei Tagen diese Marge bei weitem. Moog berichtet, dass an zwei Tagen über 840 000 Angebote auf der Website hinterlegt wurden. Zwischen Frachten und Fahrzeugen bestand jedoch eine große Diskrepanz, denn auf 750 000 Frachten kamen nur 90 000 Fahrzeuge.
Gburek hielt nur dann eine Entspannung der aktuellen Lage für möglich, wenn die vorhandenen Lkw und Kühlfahrzeuge besser ausgelastet werden und sieht Internetplattformen wie timocom.com als die beste Möglichkeit dazu. Hier könnten freie Frachtkapazitäten vermarktet werden, auch wenn Transportunternehmen zur Zeit ein Überangebot an Frachten vorfinden.
Branchenverbund ELVIS sieht Fahrermangel als neuralgischen Punkt
Dabei ist es nicht nur schlichter Mangel an Fahrzeugen, der Probleme verursacht. Selbst spezielle Kühl-Lkw lassen sich in einem überschaubaren Zeitraum beschaffen. Wesentlich schwerer wiegt der Mangel an Fachkräften, speziell an ausgebildeten Fernfahrern. Schon seit längerem kämpft die Transportbranche nicht nur mit dem Mangel an ausgebildeten Fahrern, sondern auch mit fehlendem Nachwuchs.
Der Branchenverbund ELVIS (Europäischer Ladungs-Verbund Internationale Spediteure) will diesem Personalmangel entgegenwirken. Dazu haben die Verantwortlichen zunächst zusammen mit dem Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehrer, Logistik- und Beschaffungsmanagement der Universität die Personalleiter und Geschäftsführer von 121 Mitgliedsbetrieben befragt. In einer zweiten Stufe kommen auch die Fahrer selbst zu Wort. Dabei stellte sich heraus, dass es im Schnitt 44 Tage dauert, eine offene Fahrerstellte zu besetzen. „Qualifiziertes Fahrpersonal ist inzwischen ein rares Gut. Diese Situation wird sich in absehbarer Zeit nicht entspannen. Daher ist es umso wichtiger, die Weichen für die Zukunft zu stellen und Vorkehrungen zu treffen“, sagte Christine Platt, Prokuristin bei ELVIS, gegenüber der Verkehrsrundschau.
Zudem sind 14 Prozent der Fahrer älter als 50 Jahre. Die weitere Befragung soll nun klären, welche Faktoren zur Zufriedenheit der Fahrer mit ihrem Arbeitsplatz beitragen und was Betriebe tun können, um zu diese Zufriedenheit zu fördern. „Nur wenn wir wissen, warum sich ein Fahrer für ein Unternehmen entscheidet oder umgekehrt einen Arbeitgeberwechsel anstrebt, können wir praxistaugliche Instrumente entwickeln, die es uns erlauben, auf diese Entscheidungen Einfluss zu nehmen“, so Platt weiter.
Gemeinsame Position von ADAC und TÜV: Zeitgemäße Arbeitszeit-Modelle nötig
Für den ADAC Mittelrhein und den TÜV Rheinland stellt sich die Situation eher noch dramatischer dar. So stünden dem Verlangen der Wirtschaft nach immer mehr Transportleistung ein überalterter Arbeitsmarkt und eine schwache Nachwuchslage gegenüber. „Auf jährlich 50 000 neue Rentner bundesweit kommen lediglich 10 000 Berufsanfänger“, sagte laut Verkehrsrundschau der Vorsitzende des TÜV Mittelrhein auf dem gemeinsamen Truck Symposium der beiden Verbände. Es fand während des 33. Truck-Grand-Prix am Nürburg-Ring statt.
Manns Vorschläge zielten in dieselbe Richtung wie die Initiative des ELIVIS-Verbundes, gingen aber deutlich weiter. Er sprach sich für zeitgemäße Arbeitsmodelle mit zusätzlichen Sozialleistungen und besserer Berücksichtigung von Familie und Freizeit aus. Auch die Infrastruktur für die Kraftfahrer selbst müsste mit mehr und sicheren Stellplätzen sowie mehr Sozialangeboten vor Ort verbessert werden. Dadurch wären die Fahrer nicht mehr zu langwierigen Parkplatzsuchen bei überfüllten Stellplätzen gezwungen.
ADAC und TÜV fordern bessere Bezahlung
Auch die Bezahlung müsse sich verbessern. Denn langfristig habe der Einsatz von preiswerten Fahrern aus Osteuropa negative Folgen für die Logistikbranche. „Zwar konnte die Branche so internationaler Konkurrenz und sinkenden Transportpreisen zeitweilig entgegenwirken, aber sie machte aus dem arbeitsintensiven Beruf des Kraftfahrers einen Niedriglohnjob, für den sich hierzulande immer weniger Menschen interessieren“, so Mann laut Verkehrsrundschau.
Fazit: Hinter dem aktuellen Engpass auf dem Transportmarkt verbergen sich strukturelle Mängel. Von denen sind der Fahrermangel und der fehlende Transportraum bei den Speditionen nur die sichtbarsten Schwierigkeiten.
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