Viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen suchen nach Lösungen für das Autonome Fahren. Obwohl oft die Technologien für den Individualverkehr mehr öffentliche Aufmerksamkeit finden, bricht auch in der Logistik das Zeitalter autonomer Fahrzeuge an. Eines ihrer Einsatzfelder werden die Betriebshöfe von Speditionen sein. Der Friedrichshafener Technologiekonzern ZF Friedrichshafen AG stellte jüngst seine Produkte für den Betriebshof von Morgen vor.
ZF Friedrichshafen reagiert auf Herausforderungen der Logistikbranche
Transportgut aller Art wird entlang der Lieferkette immer wieder umgeschlagen – auf den Betriebshöfen von Speditionen etwa, auf Bahnhöfen, oder in den entsprechenden Arealen von Seehäfen und Flughäfen. Dabei bindet das Manövrieren beim Ab- oder Umsetzen von Containern oder der Zusammenstellung von Ladung nicht nur Zeit und Arbeitskraft des Personals, womit immer auch Kosten entstehen. Es ist außerdem unfallträchtig und führt immer wieder zu teuren Schäden und Verzögerungen.
Gleichzeitig sorgt die generell gute Situation der Branche paradoxerweise für Schwierigkeiten. Denn die Logistikbranche erlebt zur Zeit positive Wachstumsprognosen und steigende Transportvolumina. Gleichzeitig macht sie aber der Mangel an ausgebildeten Fachkräften immer stärker bemerkbar.
Der Technologiekonzern ZF Friedrichshafen AG stellt nun Lösungen zum Autonomen Fahren auf Betriebshöfen und ähnlichen abgegrenzten Arealen vor, die helfen können, diese Dilemmas aufzulösen.
ZF Friedrichshafen stellt zwei Prototypen mit autonomer Fahrtechnik vor
Der ZF Innovation Truck ist ein Demonstrator für einen schweren Lkw, der elektrisch angetrieben wird und auf dem Betriebshof Wechselbrücken autonom bewegen kann. Der etwas kleinere Terminal Yard Tractor übernimmt das Rangieren von Sattelaufliegern. Beide bewegen sich mit Hilfe eines ebenfalls von ZF entwickelten Routing-Systems und verfügen über intelligente mechanische Systeme, Sensorik und Steuerungen.
„Autonome Fahrzeuge, die dank unserer Technologien sehen, denken und handeln können, lassen die Idee der durchweg smarten Logistik auf Betriebshöfen und anderen abgeschlossenen Arealen Realität werden“, sagt Fredrik Staedtler, Leiter der Division Nutzfahrzeugtechnik von ZF. „Derartige Transportmittel vermeiden Rangierschäden und Ausfallzeiten, was Logistikunternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft“, so Staedtler weiter, „die in unseren aktuellen Innovationsfahrzeugen gezeigten Funktionen sind daher Anwendungen mit hohem Bedarf und schneller Amortisation.“ Dabei übernehmen die Fahrzeuge das Rangieren von Trailern oder Wechselbrücken am Bestimmungsort jeweils autonom.
Der ZF Innovation Truck findet seinen Weg selbst
Der ZF Innovation Truck ist ein Hybrid-Lkw auf der Basis eines schweren Dreiachsers. Der Lkw selbst ist das Serienfahrzeug eines etablierten Herstellers. Die Techniker und Entwickler von ZF haben ihn mit mehreren Einbauten autonom fahrfähig gemacht.
Die Energie für das Manövrieren auf dem Betriebshof kommt dabei nicht aus dem konventionellen Lkw-Motor. Stattdessen springt ein elektrischer Antrieb ein, der Teil des automatischen Getriebesystems TraXon Hybrid ist. Ebenfalls eine ZF-Entwicklung ist die elektrohydraulische Nutzfahrzeuglenkung ReAX. Der Zentralcomputer ZF ProAI bildet das Gehirn des autonomen Lkw. Im autonomen Modus übernimmt er die Steuerung und navigiert mit Hilfe der zusätzlich eingebauten Sensoren. ZF installierte dafür ein kamerabasiertes und laserunterstütztes Sensorsystem, das zusätzlich GPS-Daten empfängt und auswertet.
So macht ZF Friedrichshafen AG den Betriebshof der Zukunft möglich
Der Betriebshof der Zukunft könnte also etwa so funktionieren: Wenn der ZF Innovation Truck auf den Betriebshof fährt, kann der Fahrer aussteigen, den autonomen Modus einschalten und dann zum Beispiel seine Pause antreten. Der Lkw fährt nun autonom und mit dem elektrischen Antrieb zu seiner Zielposition und setzt dort mit Hilfe eines Wechselbrückenassistenten seine Fracht ab. Dann fährt er weiter und nimmt an einer anderen Stelle eine neue Wechselbrücke oder einen Container auf. Dabei fädelt er sich mit Hilfe des bordeigenen ZF-Navigations- und Sensorsystems unter der neuen Ladung ein.
Hier zeigt sich gut, wie der Wechselbrückenassistent den Lkw-Fahrer entlastet: Einen schweren Lkw rückwärts einzufädeln, ist auch für routinierte Trucker eine anspruchsvolle Aufgabe, und nicht immer gelingt sie auf Anhieb. Dagegen gelingt es dem ZF Innovation Truck so gut wie immer. Zudem wird der Bordcomputer nicht durch Müdigkeit oder Ablenkung durch schlechtes Wetter beeinträchtigt.
Rangierhelfer: Der Terminal Yard Tractor von ZF Friedrichshafen
Das Bewegen einzelner Container, Auflieger oder Wechselbrücken übernimmt der Terminal Yard Tractor. Er verfügt über dieselben Systeme zum autonomen Fahren wie der ZF Innovation Truck. Ähnliche Fahrzeuge wie diese Zugmaschine könnten in naher Zukunft die herkömmlichen Zugfahrzeuge ersetzen. Der ZF Terminal Yard Tractor ist ebenso wie der Truck mit einem eigenen Sensorsystem und dem Zentralcomputer ProAI ausgestattet. Zudem ist das Fahrzeug mit Systemen auf dem Betriebshof vernetzt. Kameras an der Rampe erfassen den zu bewegenden Auflieger. Ein Computer errechnet einen Kurs und übermittelt sie an den Terminal Yard Tractor, wo sie Bordcomputer in Steuerbefehle für das Fahrzeug umwandelt.
ZF Friedrichshafen AG liefert Routing-System
Für die genaue Kursplanung auf dem Modell-Betriebshof von ZF Friedrichshafen ist ein intelligentes Routing-System zuständig. Über LTE/WLAN loggen sich die einzelnen Fahrzeuge in dem Moment ein, in dem der automatische Fahrmodus eingeschaltet wird. Das Routing-System verfolgt nun ständig die aktuellen Fahrwege und Positionen der Fahrzeuge. Bei Bedarf errechnet es sofort neue Routen und sorgt dafür, dass sich die autonomen Vehikel nicht in die Quere kommen.
Neben den Innovationen für das Autonome Fahren haben die Entwickler von ZF Friedrichshafen auch das weiterhin nötige manuelle Manövrieren verbessert. Ein neuer Einspur-Assistent nutzt sowohl die Daten der Sensoren am Fahrzeug als auch das Routing-System, um den Fahrer beim Rangieren zu unterstützen. Er bekommt auf einem Daten-Tablett angezeigt, wie er sein Fahrzeug beispielsweise am besten an eine Wechselbrücke heran fährt, um sie dann aufzunehmen.
Bildnachweis: Alle Fotos: ©obs/ZF Friedrichshafen AG/Felix Kästle