Fahren ohne Fahrerkarte: Was Spediteure wissen müssen

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Die Fahrerkarte ist ein wichtiges Dokument für alle Berufskraftfahrer. Als Kontrollinstrument zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten ist ihre Handhabung mit zahlreichen Vorschriften verbunden. Das Fahren ohne Fahrerkarte ist undenkbar.

Aktuell: Der neue digitale Tachograph DTCO 4.0

Vorweg eine aktuelle Information: oft taucht die Frage auf, ob der neue Digitale Tachograph DTCO 4.0 die aufgezeichneten Lenk- und Ruhezeiten bei der Prüfung im Vorbeifahren überträgt. Dies kann man im Detail hier nach dem Videoclip nachlesen.

Fahrerkarte vergessen: Unwissenheit schütz nicht vor Strafe!

Da Unwissenheit bekanntlich nicht vor Strafe schützt, sollten nicht nur die Fahrer, sondern vor allem Transportunternehmer diese genau kennen, um reibungslose Abläufe zu gewährleisten und um Verstöße und damit verbundene Bußgelder zu vermeiden.

Nicht immer läuft alles nach Plan

Der hohe Termindruck und die daraus resultierenden Unachtsamkeiten führen oftmals zu einem Verlust der Fahrerkarte. Ein Fahren "ohne" ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich. (#3)

Der hohe Termindruck und die daraus resultierenden Unachtsamkeiten führen oftmals zu einem Verlust der Fahrerkarte. Ein Fahren „ohne“ ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich. (#3)

Der Beruf des LKW-Fahrers bringt es mit sich, viel im In- und auch im Ausland unterwegs zu sein und unter hohem Termindruck zu stehen – unerwartete Ereignisse sind da eher die Regel als die Ausnahme.

Da kann es schon mal vorkommen, dass diese verlorengeht, gestohlen wird oder so stark beschädigt wurde, dass sie nicht mehr funktioniert. Oder aber dass der Fahrer sie einfach nur irgendwo vergessen hat. Viele LKW-Fahrer wissen dann nicht, ob sie in diesem Fall überhaupt fahren dürfen und brauchen eine rechtssichere Auskunft. Zudem drängt oft die Zeit, denn die Fracht muss fristgerecht abgeliefert werden.

In solchen Situationen ist es vor allem für den Transportunternehmer wichtig, sich auszukennen und gesetzeskonform zu reagieren. Zwar lässt der Gesetzgeber beim Fahren ohne Fahrerkarte nicht mit sich spaßen, erkennt aber durchaus an, dass Missgeschicke nun mal passieren können und dass das Beschaffen einer Ersatzkarte auch eine gewisse Zeit erfordert. Eine klare Auskunft über das korrekte Vorgehen gibt auch dem Fahrer Sicherheit, denn beim unerlaubten Fahren ohne Fahrkarte haftet meist dieser – auch wenn „nur“ aus Unwissenheit gehandelt wurde.

In diesem Artikel geht es um wichtige Ausnahmeregelungen und Pflichten beim Fahren ohne Fahrerkarte – aber auch darum, was Arbeitgeber tun können, um ihre Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen.

Fahren ohne Fahrerkarte: Diese Ausnahmen gibt es

Die auf der Fahrerkarte gespeicherten Lenk- und Ruhezeiten sollen einerseits den Fahrer als Arbeitnehmer und andererseits alle Verkehrsteilnehmer vor Unfällen schützen.

Als oberste Regel gilt daher:

Die Benutzung der Fahrerkarte ist für den gewerblichen Transport von Gütern oder Personen verpflichtend.

Der „Normalfall“ ist also klar geregelt: Die Verordnung der Europäischen Gemeinschaft (Art. 15 VO (EWG) Nr. 3821/85) schreibt nämlich vor, dass alle Kraftfahrer, die eine Fahrerkarte besitzen, diese grundsätzlich immer mitführen müssen.

LOGISTICFACTS

Aufzeichnungspflichten: Wenn ausnahmsweise ohne Fahrerkarte gefahren wird

[…] Bei Verlust, Diebstahl, Beschädigung oder Fehlfunktion der Fahrerkarte lässt der Fahrer am Ende der Fahrt die Angaben über die Zeitgruppen ausdrucken, die das Kontrollgerät aufgezeichnet hat, macht auf dem Ausdruck Angaben zu seiner Person (Name und Nummer seines Führerscheins oder Name und Nummer seiner Fahrerkarte) und versieht ihn mit seiner Unterschrift.

Quelle: verkehrslexikon.de

Bei Beschädigung, Fehlfunktion, Verlust oder Diebstahl besitzt der Fahrer natürlich keine gültige Fahrerkarte. Für diese Fälle ist die korrekte Vorgehensweise in Artikel 16 der Verordnung geregelt. Der Fahrer darf dann zwar ohne Karte fahren, muss aber handschriftliche Aufzeichnungen anfertigen.

Die Aufzeichnungen des laufenden Tages sowie der vorangegangenen 28 Tage müssen vom Fahrer mitgeführt werden.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese in chronologischer Reihenfolge und lesbarer Form für mindestens ein Jahr zu archivieren und auf Wunsch Kopien an den Fahrer oder an die Kontrollbehörden auszuhändigen.

Auch der erlaubte Zeitraum für das Fahren ohne Karte ist klar definiert. Hier gilt: In allen genannten Fällen ist das Fahren ohne Fahrerkarte für insgesamt 15 Kalendertage zulässig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Fahrt am Vortag auf dem Betriebshof endete. Der 15-Tages-Zeitraum darf nur überschritten werden, wenn dies für die Rückkehr des Fahrzeugs an den Standort des Unternehmens erforderlich ist.

LOGISTICFACTS

Wichtig: Ersatzkarte

Eine Ersatzkarte muss unverzüglich, d.h. spätestens innerhalb von sieben Tagen nach Verlust oder Feststellen der fehlenden Funktionsfähigkeit, beantragt werden.

Der Fahrer muss dann aber nachweisen, dass die Benutzung der Karte während dieses Zeitraumes nicht möglich war.

Überzieht der Fahrer die 15 Tage ohne Berechtigung, so fällt ein Bußgeld von 50 € pro 24-h-Zeitraum an.

Um einen missbräuchlichen Gebrauch zu verhindern, muss der Verlust bei der ausstellenden Behörde angezeigt werden, damit die Karte gesperrt wird.

Wurde die Fahrerkarte gestohlen, so muss zusätzlich die Polizei benachrichtigt und Anzeige erstattet werden. Dafür ist grundsätzlich diejenige Behörde des Landes zuständig, in dem der Diebstahl stattfand.

Karte vergessen? Achtung, hier keine Rechtssicherheit!

LOGISTICFACTS

Bußgelder, wenn die Fahrerkarte vergessen wurde

Falls der Kontrollbeamte entscheidet, dass die Regelung des Art. 16 der EG-Verordnung nicht angewendet wird, fallen
50 – 250 € an.

Wird die Kontrolle durch die vergessene Fahrerkarte erschwert, fallen 75 € an, bei einer verhinderten Kontrolle sogar 250 €.

Eine Strafe im strafrechtlichen Sinne droht jedoch nicht.

Quelle: bussgeldkatalog.org

In den genannten Ausnahmefällen ist die Vorgehensweise also klar. Doch was passiert, wenn der Fahrer die Karte einfach nur vergessen hat?

In diesem Fall liegt es im Ermessen des Kontrollbeamten, zu entscheiden, ob die Vorschriften für den Verlust oder Diebstahl auch beim Vergessen der Karte angewendet werden – oder eben auch nicht.

Pauschale Aussagen sind daher nicht möglich, da jede Entscheidung individuell ist und vom Einzelfall abhängt.

Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Fahrer, die ihre Fahrerkarte einfach nur vergessen haben, mit einem Bußgeld belangt werden.

Erlaubt die Behörde die Anwendung der Regelungen, darf jedoch nur innerhalb des Zeitraums von 15 Tagen ohne eine Fahrerkarte gefahren werden.

Hat der Fahrer seine Fahrerkarte nur vergessen, darf er aber nicht automatisch ohne diese fahren. Im Zweifelsfall sollte die Fahrt nicht angetreten werden – oder zuvor eine Auskunft beim Bundesamt für Güterverkehr eingeholt werden.

Infografik: Bußgeld-Katalog "Lkw Lenk- und Ruhezeiten"

Infografik: Bußgeld-Katalog „Lkw Lenk- und Ruhezeiten“

Wie kann eine Ersatzkarte beantragt werden?

Die Ersatzkarte muss bei der örtlichen Ausgabestelle beantragt werden.

Für den Antrag der Ersatzkarte sind folgende Unterlagen mitzubringen:

  • Personalausweis oder Reisepass
  • Aktuelles biometrisches Passbild
  • EU-Kartenführerschein

Falls die Fahrerkarte verloren wurde, können die Kosten höher sein als bei Neuerteilung oder Verlängerung. Zudem muss eine Versicherung an Eides statt über den Verlust abgelegt werden.

Die Ersatzkarte hat übrigens die gleiche Gültigkeit wie die Originalkarte. Das bedeutet, dass bei Verlust oder Diebstahl die Gültigkeit nicht wieder bei 5 Jahren beginnt. Alleine aus diesen Gründen sollten Spediteure ihre Fahrer darüber aufklären, sorgfältig mit der Karte umzugehen und diese sicher aufzubewahren – schließlich ist der Verlust mit großem Aufwand, Zeitverlust und zusätzlichen Kosten verbunden, die in aller Regel der Fahrer selbst zu tragen hat.

Fahrerkarte auch bei privaten Fahrten?

Das Fahren ohne Fahrerkarte auf der Privatfahrt ist möglich. Wichtig: die Einstellung Einstellung „out of scope“ auf dem digitalen Tachographen! (#3)

Das Fahren ohne Fahrerkarte auf der Privatfahrt ist möglich. Wichtig: die Einstellung Einstellung „out of scope“ auf dem digitalen Tachographen! (#3)

Bei gewerblichen Fahrten schreibt der Gesetzgeber die Nutzung eines digitalen Tachographen vor. Wer jedoch privat z.B. einen Umzugswagen fahren möchte, darf diese Fahrt auch ohne Fahrerkarte durchführen, sofern das Fahrzeug bzw. Gespann nicht mehr als ein maximales Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen auf die Waage bringt. Für alle schwereren Fahrzeuge gelten die Regelungen zur Privatfahrt allerdings nicht. Das Fahren ohne Fahrerkarte kann hier möglichweise ein Bußgeld nach sich ziehen.

Für Privatfahrten ebenso wie fürs Rangieren auf dem Firmengelände sollte die Einstellung „out of scope“ im Tachographen gewählt werden. Das System erhält dadurch die Information, dass aktuell keine aufzeichnungspflichtige Fahrt stattfindet. Anhand von Ausdrucken sind jedoch auch diese Fahrten zu dokumentieren.

Bußgelder betreffen nicht nur den Fahrer

Die exakten Sanktionen für das Fahren ohne Fahrkarte sind nicht im allgemeinen Bußgeldkatalog, sondern in den Buß- und Verwarnungsgeldkatalogen des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik zum Fahrpersonalrecht (LASI) zu finden.

Beim Fahren ohne Fahrerkarte kommt auf den Fahrer in der Regel ein Bußgeld von 250 € je 24 Stunden zu – sofern der Fahrer ohne Karte fährt oder diese nicht rechtzeitig aushändigt und dadurch eine Kontrolle verhindert. Bei einer erschwerten Kontrolle sind es immerhin noch 75 € je 24-Stunden-Zeitraum.

Doch auch auf den Unternehmer können Sanktionen zukommen, wenn ein Fahrer ohne Fahrerkarte fährt. Falls nämlich die ordnungsgemäße Funktion des Kontrollgerätes nicht gewährleistet wird, droht ein Bußgeld von 750 €.

Verstöße als Anzeichen von Stress und Termindruck

Eine der vielen Ursachen für das Fahren ohne Fahrerkarte: Zeitdruck und Stress sind leider ständige Begleiter der Berufskraftfahrer. (#1)

Eine der vielen Ursachen für das Fahren ohne Fahrerkarte: Zeitdruck und Stress sind leider ständige Begleiter der Berufskraftfahrer. (#1)

Unternehmer haben bei der Umsetzung der Regelungen auch eine Verantwortung als Arbeitgeber und sollten ihre Fahrer bei allen Unklarheiten unterstützen. Auch dem zuverlässigsten Mitarbeiter kann es passieren, dass Probleme im Umgang mit der Fahrerkarte und dem Tachographen auftauchen. Geht man davon aus, dass die meisten Fahrer einen seriösen Job machen, so sind Verstöße beim Fahren häufig auch auf Termindruck, Stress und mangelnde Unterstützung zurückzuführen.

Durch enge Vorgaben und Zeitdruck bewegen sich LKW-Fahrer ohnehin ständig am Limit. Unternehmer sollten ihre Verantwortung als Arbeitgeber daher nicht vollständig auf die Fahrer abwälzen. Denn einerseits ist es die Aufgabe des Arbeitgebers, die Mitarbeiter umfassend über gesetzliche Vorschriften zu informieren. Andererseits ist es aber auch ein Zeichen von Wertschätzung, dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter sich gut aufgehoben, verstanden und unterstützt fühlen – insbesondere, wenn gerade nicht alles nach Plan läuft.

Schlechtes Image des Berufsbildes

Berufskraftfahrer befinden sich ohnehin in einem permanenten Spannungsfeld zwischen den Vorgaben des Arbeitgebers, den Anweisungen des Disponenten, den Kontrollen der Polizei und den Vorschriften des Bundesamtes für Güterverkehr – dazu kommt die Vollüberwachung durch GPS und Langzeitkontrollen durch Aufzeichnungen der Fahrerkarte. Kaum eine Berufsgruppe wird heutzutage mit Hilfe digitaler Technik lückenloser überwacht als der Brummifahrer. Mit der großen Freiheit auf der Straße hat das heutige Berufsbild nicht mehr viel zu tun.

Hinzu kommt: LKW-Fahrer leiden unter einem schlechten Image. Sie gelten häufig als die Bösewichte der Autobahn, die rücksichtlos fahren, Regeln nicht einhalten und die Allgemeinheit gefährden. Aktuelle Meldungen von angetrunkenen Fahrern auf Rastplätzen, die nach Kontrollen aus dem Verkehr gezogen wurden, verbessern die öffentliche Wahrnehmung nicht. Einsamkeit, Stress und schwierige Arbeitsbedingungen führen dazu, dass der Beruf des LKW-Fahrers vor allem für junge Menschen nicht mehr attraktiv ist.

Quelle: www.hessenschau.de

Die Branche hat ein Nachwuchsproblem

Das Imageproblem ist daher längst zu einem Nachwuchsproblem der Unternehmer geworden, denn die Branche sucht händeringend Nachwuchs. Aus der Statistik der Fahrerkarten zur Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten, die beim Kraftfahrt-Bundesamt geführt wird, geht hervor, dass von den 1,5 Millionen Menschen, die im Jahr 2016 eine Fahrerkarte besaßen, über eine Million 45 Jahre und älter sind.

Das bedeutet, dass zwei Drittel der aktuellen Fahrer in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen werden. Der deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) beziffert das durchschnittliche Renteneintrittsalter bei LKW-Fahrern mit 60 Jahren.

Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) kam zu dem Ergebnis, dass 40 Prozent der Unternehmen aus der Transport- und Logistikbranche 2017 ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen konnten. Das bedeutet: Bei jedem vierten Unternehmen landete keine einzige Bewerbung.

Die Branche hat damit ein massives Nachwuchsproblem, insbesondere, da der Bedarf an Güterverkehr – nicht zuletzt durch die massive Ausweitung des Onlinehandels – weiter ansteigen wird.

Quelle: statista.com

Attraktive Lösungen sind gefordert

Damit es in Zukunft nicht zu Versorgungsengpässen kommt, sind attraktive Perspektiven für die Logistikbranche gefordert. Dabei sind es häufig gar nicht die ganz großen Veränderungen, und auch das Gehalt ist nicht das entscheidende Kriterium. Eine Umfrage des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung hat ergeben, dass vor allem

  1. mehr Wertschätzung,
  2. eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
  3. mehr Flexibilität bei den Lenk- und Ruhezeiten sowie
  4. freie und sauberere Parkplätze

ganz oben auf der Wunschliste der Befragten stehen – und zwar in dieser Reihenfolge.

Beim Thema Wertschätzung sind vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht, denn Wertschöpfung durch Wertschätzung funktioniert. In einer Mobilitätsstudie von Continental aus dem Jahre 2016 gaben immerhin 75 % der Fahrer an, ihren Beruf aus Spaß am Fahren gewählt zu haben. Arbeitgeber können durch motivierende Arbeitsbedingungen und wertschätzende Führung viel dazu beitragen, dass ihre Mitarbeiter diesen Spaß auch behalten und ihren Beruf gerne ausüben.

Gerade weil die Weiterentwicklung des autonomen Fahrens das Berufsbild in einigen Jahren stark verändern wird, braucht es weiterer Anstrengungen, um Lkw-Fahrern attraktive Perspektiven zu bieten. Transportunternehmen sind gut beraten, heute schon damit zu beginnen.

Quellen:


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