Die Spediteure des GVZ Großbeeren wehren sich mit einer Klage gegen das Lkw-Kartell, das sie durch illegale Preisabsprachen betrogen hat.
GVZ Großbeeren: Folgen der Preisabsprachen für die Unternehmen
Es war die Selbstanzeige des Herstellers MAN, die die Kartellbehörden der EU bewegte, Untersuchungen durchzuführen. Dabei wurden unglaubliche Missstände aufgedeckt, die sowohl öffentliche als auch private Kunden der Lkw-Konzerne insgesamt mehrere Milliarden Euro gekostet haben. Neben dem Land Brandenburg, das eine Klage gegen die Mitglieder des Kartells in Betracht zieht, wollen auch die Spediteure des GVZ Großbeeren ihre Ansprüche auf dem Rechtsweg geltend machen.
Video: ImageFilm: GVZ Großbeeren 2010
Wie hat das Lkw-Kartell seine Kunden betrogen?
In den Jahren 1997 bis 2011 hat ein Kartell aus mehreren Lkw-Herstellern durch illegale Preisabsprachen stark überhöhte Preise bei seinen Kunden durchgesetzt. MAN hat durch eine Selbstanzeige erreicht, dass dem Unternehmen im Rahmen der Kronzeugenregelung die Strafe erlassen wurde, wohingegen Daimler-Benz die Höchststrafe zahlen musste, die bei 1,09 Milliarden Euro liegt. Das ist für die betroffenen Kunden des Kartells jedoch ein schwacher Trost. Sowohl öffentliche als auch private Käufer der überteuerten Lkw wollen durch Klagen gegen das Kartell Schadensersatzansprüche durchsetzen.
Am Lkw-Kartell waren folgende Hersteller beteiligt:
- MAN
- DAF
- Volvo / Renault
- Iveco
- Daimler-Benz
- Scania
Welche Spediteure streben eine Klage gegen das Lkw-Kartell an?
Das GVZ Großbeeren liegt vor den Toren der Hauptstadt Berlin in Brandenburg und ist das leistungsstärkste Güterverkehrszentrum Ostdeutschlands, denn es liegt strategisch besonders günstig an der Schnittstelle verschiedener Ströme des Güterverkehrs. Damit bietet das GVZ Großbeeren sowohl für regionale als auch für landes- und europaweite Transporte optimale Voraussetzungen. Fast jedes mittelständische Transportunternehmen, das im GVZ Großbeeren ansässig ist sowie viele andere Logistikdienstleister in der Region Brandenburg gehören zu den Geschädigten des Lkw-Kartells. Die Lkw-Hersteller verfügten über eine absolut marktbeherrschende Stellung für mittelschwere oder schwere Lkw ab sechs Tonnen.
Es haben sich mittlerweile 36 Spediteure unter anderem aus dem GVZ Großbeeren in Brandenburg zu einer Initiative zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen das Lkw-Kartell zu klagen. Ohne eine gemeinschaftliche Vorgehensweise hätten die mittelständischen Firmen keine Chance, den Rechtsstreit mit den mächtigen Lkw-Produzenten erfolgreich zu gestalten. Die Spediteure wollen gemeinsam beweisen, dass sie zwischen 1997 und 2011 beim Kauf der Fahrzeuge pro Lkw zwischen 6.000 und 10.000 Euro zu viel zahlen mussten. Rechnet man noch die Zinsen für die vergangenen Jahre dazu, ergibt sich ein Schaden in Höhe von gut zehn Prozent des Fahrzeugpreises.
Es ist schwierig, diese Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, denn die Höhe der Mehrkosten muss bewiesen werden. Schon das Bezahlen der dafür erforderlichen Gutachten würde mittelständische Spediteure überfordern. Aus diesem Grund haben sich die Firmen entschieden, mit einer Sammelklage gegen das Lkw-Kartell vorzugehen. Ein weiteres Problem für die kleineren und mittelständischen Spediteure besteht darin, dass die Gutachter, die für diese Fälle geeignet sind, bereits von den Branchenriesen engagiert wurden. Diese Konzerne werden sich auch nicht an Sammelklagen beteiligen, sondern ihre Interesse eigenständig vertreten. Die Strategie, sich zusammenzuschließen, ist somit die einzige Möglichkeit für die geschädigten Spediteure, ihre Interessen wahrzunehmen.
Video: Wie funktioniert die Allianz gegen das LKW-Kartell?
Beteiligung der Spediteure des GVZ Großbeeren an der Sammelklage
Die Unternehmen, die sich zu der Initiative zusammengeschlossen haben, werden von folgenden Branchenverbänden vertreten:
- BGL – Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung
- AMÖ – Bundesverband Möbelspedition und Logistik
- BWVL – Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik
- DSLV -Deutscher Speditions- und Logistikverband
Die Firma Financialright Claims aus Düsseldorf übernimmt die Vertretung der rechtlichen Interessen aller Spediteure, die an der Sammelklage teilnehmen wollen. Die Finanzierung des Prozesses wird vom Unternehmen Burford Capital gemanagt.
Voraussetzung für Schadensersatzansprüche
Die Spediteure des GVZ Großbeeren streben an, die zu viel gezahlten Anteile der Kaufpreise einschließlich Zinsen als Schadensersatz zurückerstattet zu bekommen. Dafür müssen die Kläger jedoch zunächst beweisen, dass sie auch von den illegalen Preisabsprachen betroffen waren. Hierzu gehören Spediteure und Logistik-Unternehmen, die im betreffenden Zeitraum mittelschwere und schwere Fahrzeuge bei einem Anbieter des Kartells gekauft oder geleast oder die Lkw per Mietkauf erworben haben. Firmen, die zu dieser Gruppe gehören, haben laut Angaben der Märkischen Allgemeinen Zeitung noch bis Ende Mai 2018 Zeit, sich bei Financialright Claims registrieren zu lassen. Einen Monat später, also am 30.06.2018, müssen dann auch die entsprechenden Nachweise eingereicht werden.
Ist die Teilnahme an der Initiative mit hohen Risiken verbunden?
Die Möglichkeit, auf dem Weg der Sammelklage ihre Rechte zu vertreten, ist für die meisten betroffenen mittelständischen Spediteure die einzige Chance auf Schadensersatz. Dieser Weg ist auch deshalb vorteilhaft, weil er für die Firmen mit keinem finanziellen Risiko verbunden ist. Eine Provision an den Dienstleister, der die Sammelklage einreicht, wird nur dann fällig, wenn diese Klage Erfolg hatte. Auch wenn die Beträge, um die es für die Mittelständler geht, sicher nicht mit denen der Großabnehmer zu vergleichen sind, handelt es sich keinesfalls um zu vernachlässigende Summen. Firmen, die beispielsweise sechs überteuerte Lkw gekauft hatten, entstand ein Schaden zwischen 36.000 und 60.000 Euro.
Warum sollten sich die Spediteure rechtlich vertreten lassen?
Es ist zwar in gewisser Weise befriedigend, dass die Mitglieder des Lkw-Kartells von der EU zur Zahlung hoher Geldstrafen verurteilt wurden, das hat jedoch keine Auswirkungen auf die geschädigten Kunden. Diese müssen immer noch überhöhte Leasingraten zahlen und bleiben auf ihren finanziellen Schäden sitzen.
Genau darin besteht jedoch das Problem: Ein mittelständisches Unternehmen hat nicht die Möglichkeiten, sich gegen Global Player wie MAN zu behaupten. Im GVZ Großbeeren gibt es viele betroffene Spediteure, die nun versuchen werden, auf dem Weg der Sammelklage ihre Interessen durchzusetzen.
Video: Rekord-Klage gegen LKW-Kartell
Für welche Fahrzeuge kann Schadensersatz gefordert werden?
Fahrzeuge, die zwischen 1997 und 2002 gekauft oder geleast wurden, mussten bis zum 30. September 2017 für eine Sammelklage registriert werden. Daraus folgt, dass diese Fahrzeuge aus der neuen Sammelklage herausfallen und dafür keine Ansprüche auf Schadensersatz mehr gefordert werden können.
Financialright Claims hatte für Fahrzeuge aus diesem Zeitraum bereits im Dezember 2017 stellvertretend für über 3.200 betroffene Kunden des Kartells eine entsprechende Klage eingereicht. Dabei wird über den Schadensersatz für mehr als 85.000 Lkw verhandelt.
Wie ist die rechtliche Lage zu beurteilen?
Die Ableitung eines Schadensersatzanspruches ist nicht einfach, denn die rechtliche Lage ist unklar. Deshalb bleibt abzuwarten, wie die Gerichte konkret die kartellrechtlichen Schadensersatzforderungen beurteilen werden. Auf die Mitglieder des Kartells könnten riesige Forderungen zukommen, denn im Zeitraum, in dem das Kartell tätig war und illegale Preisabsprachen durchsetzen konnte, wurden europaweit fast zehn Millionen Lkw ab sechs Tonnen verkauft. Für kleinere Lkw wurden keine Preisabsprachen nachgewiesen.
Welche Kunden sind ebenfalls von den Preisabsprachen betroffen?
Neben den privaten Unternehmen werden auch die Kommunen und Länder Klagen einreichen. Allein dem Land Brandenburg entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Im fraglichen Zeitraum wurden hunderte von Fahrzeugen für die öffentlichen Haushalte angeschafft. Feuerwehr- und Räumfahrzeuge sowie Lkw des Maschinenparks der Landesforstbetriebe wurden zu wesentlich überteuerten Preisen gekauft. Noch wurden keine Klagen erhoben, aber es laufen in den Ministerien bereits die Vorbereitungen. Zunächst müssen alle Belege zu den Lkw über sechs Tonnen zusammengestellt werden.
Die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche wird auch für die Kommunen und Länder nicht einfach, denn die Preisabsprachen betrafen überwiegend die Fahrzeuggestelle. Vertragspartner der öffentlichen Haushalte sind jedoch die Unternehmen, die die Aufbauten der Lkw produzieren, für die also die Fahrzeuggestelle Zulieferteile darstellten. Es ist also schwierig, aber nicht unmöglich, Schadensersatz in Form von Ausgleichszahlungen durchzusetzen.
Gemeinsames Handeln hat die größten Erfolgsaussichten
Die Möglichkeit der Sammelklage bietet auch kleineren und mittleren Firmen eine Chance, sich gegen die Praktiken des Lkw-Kartells zur Wehr zu setzen. Viele Spediteure des GVZ Großbeeren wollen sich deshalb der Sammelklage anschließen. Mit Partnern wie dem Rechtsdienstleister Financialright Claims sowie Burford Capital als Prozessfinanzierer erhöhen sich die Chancen, erfolgreich aus dem Kampf David gegen Goliath hervorzugehen, erheblich.
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