Der Siegeszug des Internets hat viele Branchen grundlegend verändert, doch kaum ein Bereich wird derart umwälzend davon betroffen sein wie die Logistik. Schon heute müssen sich die Unternehmen etwas einfallen lassen, um mit der Entwicklung Schritt zu halten.
Die Revolution in der Logistikbranche hat begonnen
Es geht nicht nur um Amazon, aber der Haupttrend in der Logistikbranche ist nach wie vor unübersehbar: Privatkunden dominieren das Geschäft mit dem Transport von Waren immer stärker. Während der große Warentransport der Speditionen quer durch die Kontinente und über die Weltmeere natürlich immer noch eine große Rolle spielt, bringt das gestiegene Paketaufkommen im privaten Bereich die Branche immer stärker an ihre Grenzen.
Innenstädte sind nicht beliebig mit zusätzlichen Pakettransporten zu belasten, sei es wegen der Parkraumnot oder der Umweltschutzbestimmungen, welche die Lebens- und Luftqualität in den Städten erhöhen sollen. Gleichzeitig darf die Logistikbranche die ländlichen Regionen nicht aus dem Auge verlieren: Sich nur auf Ballungsgebiete und Bevölkerungszentren zu konzentrieren, könnte schon bald nach hinten losgehen. Zwar sind Projekte wie die Lieferung per Drohne noch nicht ausgereift, aber dort, wo sich irgendwann der Personal- und Zeitaufwand für langwierige Lieferungen auf der Straße kaum noch rentieren wird, könnte der Luftweg für die Zustellung mittelfristig eine echte Alternative sein.
Hinzu kommt, dass Kunden die Pakete auch annehmen müssen, aber natürlich nicht rund um die Uhr auf den Zusteller warten können. Neue Konzepte wie Packstationen oder die Lieferung in den Kofferraum des geparkten PKW funktionieren nicht in jedem Fall und sind auch nicht für jeden Kunden geeignet. Dennoch ist der wichtigste Trend nach wie vor die Digitalisierung der Logistikbranche. Sowohl im B2B-Bereich zwischen Lieferant und Händler als auch im Endkundenbereich dominieren Apps und digitale Erfassung der Sendungen. Der Kunde möchte wissen, wo sein Paket genau ist und wann es bei ihm eintrifft.
Der Lieferant möchte wissen, wo seine Mitarbeiter sind, um besser disponieren zu können. Zu guter Letzt will der Händler ebenfalls wissen, wie der Stand der Dinge ist. All dies lässt sich über die digitale Schnittstelle Handy vermutlich am besten koordinieren. Problematisch ist jedoch, die richtigen Trends zu erkennen, denn längst nicht jede Idee in diesem Bereich setzt sich langfristig durch. Die Unternehmen müssen aber zeitnah investieren, wenn sie mithalten möchten.
Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich heute
Die Erfahrung zeigt, dass man gerade in der Logistikbranche lange geschlafen hat. Während Amazon mit einer einfachen Idee den Markt revolutionierte und Online-Marktplätze wie eBay es Jedermann und Jederfrau ermöglichen, nahezu grenzenlos und weltweit Handel zu treiben, haben die Logistikdienstleister sich lange nicht auf diese Veränderungen eingestellt. Sprach man früher im Versandhandel in erster Linie von den großen Katalogen wie Neckermann, Quelle und Otto, konnte nur letzteres Unternehmen seine Position am Markt verteidigen. Das war der rechtzeitigen Umstellung auf die Herausforderungen des Internets geschuldet, denn Otto setzte schon früh auch auf das Onlinegeschäft, das die Mitbewerber zu lange vernachlässigten.
Dennoch: Dezentrale Lösungen und just in time machen es beinahe für jeden Unternehmer möglich, mit seinem Online-Shop auf dem Markt mitzuspielen, nicht zuletzt dank der Möglichkeiten, die etwa ein Marktplatz von Amazon auch Drittanbietern eröffnet. Doch ob Amazon oder kleiner Händler im Netz; die berühmte letzte Meile, bei der die Lieferung den Endkunden erreicht, ist auf lange Sicht die größte Herausforderung für alle Logistikunternehmen. Insbesondere die Tatsache, dass Experten innerhalb der nächsten sieben Jahre mit einer Verdopplung des Paketaufkommens allein in Deutschland auf dann über fünf Milliarden Pakete rechnen, zeigt, wo die Reise hingeht. Der weitaus größte Teil dieser Lieferungen geht übrigens nach wie vor an private Haushalte.
Für Händler wie Logistikunternehmen ist die Kundenzufriedenheit ein großer Faktor beim Wettbewerb mit anderen Anbietern. Das bedeutet in erster Linie Pünktlichkeit und unkomplizierte Abwicklung (z. B. auch bei Retouren). Die individuellen Vorlieben der Kunden machen es dabei nicht einfacher, sie in jedem Fall zufriedenzustellen. Der eine mag vielleicht die Lieferung per Roboter oder Drohne vorziehen, der andere will die Lieferung lieber an einer Packstation selbst abholen oder sich direkt in den Kofferraum seines Autos liefern lassen.
All diese Möglichkeiten anbieten zu können, wird eine Herausforderung sein, die nur mit einem intelligent abgestimmten Logistikkonzept und digitalen Lösungen zu machen ist. Unternehmen wie EPG unterstützen Firmen in der Logistikbranche mit Komplettlösungen, beginnend bei der Logistiksoftware über Cloudangebote für Logistikdaten bis hin zu Lösungen für die Lagerhardware und Infrastruktur. Da viele Unternehmen mit der Konzeption und Planung wenig Erfahrung haben, was die Digitalisierung betrifft, bieten solche Unternehmen in der Regel auch Beratungs- und Planungsdienstleistungen für Logistikpartner.
Umweltschutz wird immer wichtiger
Über allem schwebt außerdem die CO2-neutrale Zustellung. Die Luftreinhaltung durch Lieferungen mit Elektroautos kann ein Weg dorthin sein – aber eben auch nur, wenn der für diese Fahrzeuge erzeugte Strom nicht gerade aus einem Braunkohlekraftwerk stammt. Zudem warnen Logistikplaner davor, dass die allzu schnelle Umstellung auf rein elektrische Auslieferung in Innenstädten die Infrastruktur des Stromnetzes an die Grenzen bringen könnte.
Stellt man sich vor, dass ein Paketdienst seine gesamte Fahrzeugflotte über Nacht ans Netz hängt, geht das nicht ohne zusätzlichen Ausbau der Kapazitäten der Stromanbieter. Auch diese Investitionen müssen geplant und vor allem getätigt werden. Die Auslieferung per Lastenfahrrad ist auf der letzten Meile in Städten inzwischen relativ populär, kann aber angesichts der Zunahme an Sendungen, des Personalmangels und der technischen Herausforderungen keine Universallösung sein. Brückenlösungen oder Teillösungen sind ebenfalls denkbar. So will man in Frankfurt am Main künftig mit der Straßenbahn Pakete befördern.
In diesen speziellen Fracht-Straßenbahnen werden keine Passagiere befördert, sondern nur Paketsendungen, die dann per Lastenfahrrad zu den Endkunden ausgeliefert werden. Das entlastet den Straßenverkehr durch den Wegfall der entsprechenden Transportfahrzeuge und tut insofern auch etwas für die Umwelt, als die Tram elektrisch fährt. Zumindest in Sachen Luftreinhaltung und Diesel-Skandal sicher ein interessanter Ansatz.
Der wichtigste Trend: Der Kunde bestimmt das Tempo bei der Logistik
Wir erkennen den Widerspruch, dem sich die Logistikbranche stellen muss: Auf der einen Seite ist eine schnelle Anpassung an Trends, die sich vielleicht durchsetzen könnten, ein Risiko. Wartet man zu lange, besetzen hingegen andere die Nischen und der Zug ist im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren. Aber man kann auch keinen vorauseilenden Gehorsam vom Kunden erwarten. Da dieser in der digitalisierten Logistikwelt der König bleiben soll, muss sich die Logistik letztlich nach den Wünschen und Erfordernissen der Kunden richten. Noch vor wenigen Jahren war die Vorstellung, seine Pizza per App zu bestellen und online zu bezahlen, eine echte Utopie, der viele Menschen skeptisch gegenüberstanden.
Heute bestellen bereits mehr Leute über derartige Apps als klassisch per Telefon – jedenfalls dort, wo Restaurants diese Möglichkeit anbieten. So gesehen sind Pizzalieferdienste auch nichts anderes als Logistikunternehmen, die zudem zeitkritisch ihre Produkte ausliefern müssen. Selbstverständlich ist auch in diesem Bereich denkbar, dass irgendwann die Drohne die heiße Pizza zuverlässig und ohne Umwege beim Kunden abliefert. Aber der Unternehmenswandel lohnt nur dann, wenn man die Bedürfnisse der Kunden auch in Zukunft richtig interpretiert. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) hat hierzu eine ausführliche Studie erstellt, die alle Faktoren der modernen Logistik in einer digitalisierten Umwelt berücksichtigt.
Darin werden unter anderem folgende Trends identifiziert, die für die Branche unabhängig von der Größe des Unternehmens oder sonstiger Faktoren Gültigkeit besitzen (Auszug):
- Kostendruck
- Individualisierung
- Nachfrageschwankungen
- Personalmangel
- Nachhaltigkeit
- Wettbewerbssituation durch staatliche Regulierung
- Digitalisierung der Prozesse
- Vernetzung
- Analyse der Geschäftsdaten
- Automatisierung
- Dezentralisierung
Das Ende der Spedition?
Vor allem die Dezentralisierung könnte irgendwann das Ende der klassischen Spedition bedeuten. Schon heute kann die Abwicklung direkt vom Hersteller zum Endkunden in vielen Fällen sichergestellt werden. Die Zwischenstation der großen Logistikzentren oder Speditionen, die von dort aus die Waren regional weiterverteilen, verliert damit weiter an Bedeutung. Nimmt man noch weitere Möglichkeiten der Digitalisierung hinzu, die in Zukunft die Logistik in großen Teilen ganz ausschalten könnte, fragt man sich, ob die Branche überhaupt noch zukunftsfähig sein kann.
Ein Beispiel: Wenn irgendwann in jedem Haushalt ein 3D-Drucker für verschiedene Materialien steht, der vielleicht sogar auch Essen fabrizieren kann, fallen viele Produktionsschritte weg. Das wird sicher nicht über Nacht geschehen und längst nicht für alle Produkte möglich sein, aber vor dreißig Jahren hat auch noch keiner gedacht, dass er einmal mit dem eigenen Telefon in der Hand genau den Standort seines Pakets orten kann, das sich auf dem Weg zu ihm befindet.
Selbst für diesen Fall wird die Logistik aber nie ganz ausgeschaltet, denn auch ein solcher 3D-Drucker würde bestimmte Verbrauchsmaterialien benötigen. Außerdem wird es in vielen Fällen günstiger sein, eine Massenfertigung nach altem Muster zzgl. Versand abzuwickeln. Für bestimmte Produkte wird eine Lieferung im klassischen Sinn aber irgendwann nicht mehr nötig sein, so wie es heute bereits bei Büchern, Musik und Filmen der Fall ist.
Bis dahin ist es für nichtdigitale Produkte noch ein weiter Weg. In der Zwischenzeit lassen sich findige Startups neue Ideen einfallen. Die bereits erwähnte Lieferung in den Kofferraum ist so eine Möglichkeit, die mittlerweile schon von einigen Dienstleistern angeboten wird. So können Privatkunden bei DHL bereits jetzt in bestimmten Städten Sendungen in den Kofferraum liefern lassen. Wie das funktioniert? Zunächst müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein.
Kofferraumzustellung ist möglich, wenn:
- man ein Fahrzeug besitzt, das diese Funktion unterstützt
- das Fahrzeug im Bereich des Serviceangebots parkt
- man bei DHL und dem Autohersteller entsprechend für den Service registriert ist
- bei einem Online-Shop bestellt, der diese Zustellungsform anbietet
Nicht jedes Fahrzeug unterstützt diese Art der Lieferung. Einige Hersteller wie VW oder Mercedes Benz unterstützen mit ihrer Fahrzeugkonnektivität unter anderem auch die Fernentriegelung per App. Damit kann der Nutzer auch bei Abwesenheit bestimmten Personenkreisen Zugang zum Auto (in dem Fall den Kofferraum) gewähren. Nach Lieferung des Pakets wird der Kofferraum zuverlässig verschlossen, alles kann vom Nutzer über die App verfolgt und ggf. gesteuert werden.
Übrigens kann man auf diese Weise auch Retouren aus dem Kofferraum abholen lassen. Das kann über Apps der Autohersteller oder über Apps der Paketdienste bzw. anderer Dienstleister für solche Services gesteuert werden. Und hier beginnen die Probleme, denn es gibt keinen einheitlichen Standard oder eine einzelne App, mit der alle Fahrzeuge (die technisch dafür geeignet sind) mit allen Dienstleistern kompatibel sind. Von daher bleibt abzuwarten, welche Systeme sich letztlich bei den Kunden durchsetzen und ob jeder Autohersteller seinen eigenen Service-Dienstleister vernetzt.
Fazit: Die schöne neue Welt wird kommen und die Logistik muss sich anpassen
Die Automatisierung und zeitnahe Lieferung rund um die Uhr werden irgendwann zum Standard für Pakete. Die Logistikbranche muss sich diesen Herausforderungen stellen, indem sie für den Aufbau der notwendigen personellen und industriellen Infrastruktur sorgt. Digitalisierung bedeutet bei der Logistik eine echte Revolution – ob Lieferroboter, Straßenbahn oder Drohne: Neue Lösungen für die Zustellung müssen etabliert werden.
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