Den Personalbedarf entsprechend der Zukunftsperspektiven zu planen, ist für alle Unternehmer eine Herausforderung. Zum richtigen Zeitpunkt die richtige Anzahl an qualifizierten Mitarbeitern zur Verfügung zu haben, ist insbesondere in der Logistikbranche nicht immer ganz einfach.
Regelmäßig den Personalbedarf zu berechnen, ist wichtig
Die Personalbedarfsplanung ist keine einmalige Sache, die man abhaken kann, wenn man sie erledigt hat. Vielmehr bedarf der Personalbedarf einer ständigen Überprüfung und Ausrichtung an den Bedürfnissen und Prognosen der jeweiligen Branche, die für das Unternehmen maßgeblich ist. Speziell die Logistikbranche ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten diversen Umbrüchen unterworfen gewesen.
Die Zunahme an Dienstleistungen, die über den Versand von Waren definiert werden (z. B. Amazon), hat insbesondere den Zeitdruck innerhalb der Branche stark erhöht. Hinzu kommen der Kostendruck durch Billigarbeiter in Form von (häufig nicht legal operierenden) Subunternehmern aus Osteuropa sowie der technische Fortschritt. Je komplexer die Herausforderungen, desto wichtiger ist, es den Bedarf regelmäßig zu überprüfen und anhand der aktuellen Gegebenheiten neu zu berechnen. Es lässt sich also nicht übersehen, dass es eine enge Verknüpfung zwischen Unternehmens- und Personalbedarfsplanung gibt.
Während die Personalabteilung die Aufgabe übernimmt, die Fachkräfte auf dem freien Markt zu finden und vorhandene an das Unternehmen zu binden und zu fördern, muss die Personalbedarfsplanung in die Zukunft sehen und berechnen können, innerhalb welcher Zeiträume die Fachkräfte an welchen Orten benötigt werden. Hilfreich sind dabei sicherlich moderne Computerlösungen, denn für die Berechnung von Einsatzbedarf, Nettopersonalbedarf und anderen Faktoren gibt es ausgereifte Software.
Allerdings lohnt sich dies in der Regel nur für mittlere und größere Unternehmen, nicht jedoch für kleine und Einzelunternehmen, die es aber in der Logistikbranche besonders schwer haben.
Mit dem Stellenbündel hat man die Grundlagen, um den Personalbedarf zu berechnen
Das sogenannte Stellenbündel ist eine Informationsbasis, in der festgelegt wird, welche zentralen Tätigkeiten im Unternehmen anfallen. Entscheidend ist hierbei die Beschreibung fachlicher und persönlicher Anforderungen sowie die Dokumentation über Kriterien für die Anforderungen, die das Unternehmen sowohl an aktuelle Stelleninhaber als auch an neue Bewerber stellt. Das Stellenbündel ist nur vorbereitend für die Personalentwicklung, legt also noch keine Details wie die konkrete Entlohnung der Fachkräfte fest.
Vielmehr enthält es allgemeine Beschreibungen und Anforderungsprofile über die spezifischen Tätigkeiten. Hält man das Stellenbündel aktuell, verursacht die Pflege der Daten nach der erstmaligen Erhebung keinen großen Kosten- bzw. Zeitaufwand. Es hilft aber dabei, die künftigen Änderungen in Abläufen und Prozessen für die Aufgaben für die Personalplanung anzupassen.
Video: Unterscheiden Sie die qualitative u die quantitative Personalbedarfsplanung!
Unterschied zwischen quantitativem und qualitativem Personalbedarf
Generell unterscheidet man zwischen:
- qualitativem und
- quantitativem
Personalbedarf. Der Unterschied ist schnell erklärt. Der quantitative Bedarf gibt Auskunft über die benötigte Anzahl der Mitarbeiter in der Zukunft, während der qualitative Bedarf die Kenntnisse und Fähigkeiten (also die Qualifikationen) der künftigen Mitarbeiter beschreibt. Das Stellenbündel ist hierzu der erste Schritt, von dem aus die weiteren Maßnahmen zum Berechnen von Einsatzbedarf und Qualifikationen erfolgt.
Durch die Analyse der Daten im Stellenbündel bekommt man ein klares
- Tätigkeits- und Anforderungsprofil.
Im nächsten Schritt muss der aktuelle Zustand des Stellenbündels mit der Analyse von bislang nicht erfüllten Anforderungen in Einklang gebracht werden. Am Ende dieses Prozesses stehen die künftigen Aufgabenschwerpunkte, die als Grundlage für die weitere Personalbedarfsplanung dient.
So berechnen Sie den quantitativen Personalbedarf
Um den quantitativen Personalbedarf zu berechnen, müssen der zukünftige Bruttopersonalbedarf sowie der künftige Personalbestand ermittelt werden.
Mit diesen Größen lässt sich dann der Nettopersonalbedarf ermitteln:
- künftiger Bruttopersonalbedarf – künftiger Personalbestand = Nettopersonalbedarf
Der Bruttopersonalbedarf setzt sich aus den Größen Einsatzbedarf und Reservebedarf zusammen. Während der Reservebedarf Ausfälle des Personals (z. B. durch Fehlzeiten) berücksichtigt, legt der Einsatzbedarf fest, welcher Personalbedarf für die Ausführung und Erledigung der betrieblichen Aufgaben erforderlich ist. Nur ansatzweise schätzen lässt sich aufgrund der Natur der Sache der künftige Personalbestand, ihn kann man also nicht exakt berechnen. Annäherungswerte werden jedoch umso genauer, je präziser bestimmte planbare Fluktuationen (z. B. Pensionierungen) bei Zu- und Abgängen berücksichtigt werden.
Kommt bei der Berechnung ein Nettopersonalbedarf größer als Null heraus, müssen neue Mitarbeiter eingestellt werden. Kommt ein negativer Wert heraus, nennt man das Personalfreisetzungsbedarf, der in der Regel zu Entlassungen oder anderweitigem Abbau von Überkapazitäten führt. Es gibt verschiedene Verfahren, um den quantitativen Bedarf zu berechnen, deren detaillierte Beschreibung den Rahmen sprengen würde.
Zu den gängigsten Verfahren gehören:
- intuitive Verfahren (Schätzverfahren, Stellenplanverfahren, Funktionendiagramm)
- arbeitswissenschaftliche Verfahren (z. B. Methods-Time Measurement – MTM)
- mathematische Verfahren (Kennzahlenverfahren, Trendverfahren, Modellbildung)
Insbesondere das Verfahren MTM wollen wir kurz näher erläutern. Das sogenannte Methods-Time Measurementist eines der präzisesten Verfahren, um den Personalbedarf zu berechnen, verursacht aber auch einigen Aufwand. Es basiert auf der klassischen Motion Time Analysis, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Erfordernisse der Industrialisierung an die moderne Arbeitswelt anpassen half. Optimierte Arbeitsmethoden verbesserten die Effizienz, sparten Zeit (und somit Kosten) und erhöhten die Planbarkeit. Durch Messung von Arbeitsabläufen konnten objektive Größen für die Fertigungszeiten bei genau festgelegten Arbeitsvorgängen geliefert werden.
Diese Methode war aber nicht vollständig, da sie menschliche Faktoren wie Handbewegungen, Blickwanderung, sowie Körper- und Fußbewegungen vernachlässigte. Anhand von Durchschnittswerten des Leistungsvermögens von Arbeitnehmern konnte so erstmals eine menschliche Normleistung definiert werden. Die Vorteile von MTM liegen in der detaillierten Planbarkeit von Arbeitsprozessen und der Optimierung des Zeitaufwands für Entwicklung und Produktion.
Für die Logistikbranche hat dies inzwischen ebenfalls an Bedeutung gewonnen, denn Vorgänge wie Packen, Lagermanagement und das Be- bzw. Entladen von Fahrzeugen lässt sich mit MTM sehr gut ausarbeiten.
So berechnen Sie den qualitativen Personalbedarf
Der qualitative Personalbedarf lässt sich basierend auf den drei folgenden Schritten berechnen:
- Festlegung von künftig zu erbringenden Leistungen
- Ermittlung von Anforderungen, die auf Schritt 1 basieren
- Ableitung von Qualifikationen, um Anforderungen aus Schritt 2 zu erfüllen
Die qualitative Personalbedarfsplanung ist essentiell für die rechtzeitige Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte. Außerdem erleichtert sie insgesamt die Durchführung der Personalentwicklung an sich. Auch zur Ermittlung der qualitativen Personalbedarfsberechnung gibt es verschiedene Verfahren, auf die wir nicht detailliert eingehen, sondern nur beispielhaft auflisten können.
- Verfahren: Position Analysis Questionnaire (PAQ)
Hierbei werden Beschreibungen von Arbeitselementen zusammengestellt, die auf die spezifischen Anforderungen der Arbeitsstelle bezogen sind. Aus diesen Elementen lassen sich alle zukünftig benötigten Qualifikationen ableiten. - Verfahren: Szenariotechnik
Mittels dieser Technik kann man den qualitativen Personalbedarf anhand der Erstellung verschiedener Szenarien berechnen. Diese berücksichtigen die aktuelle Situation, den gegenwärtigen Entwicklungsstand, mögliche Störeinflüsse sowie potenzielle Situationen, die in Zukunft eintreten könnten. Anhand der so erstellten Prognose können zukünftige Anforderungen für den Einsatzbedarf ermittelt werden. - Verfahren: Arbeitswissenschaftliches Erhebungsverfahren zur Tätigkeitsanalyse (AET)
Vieles im AET entspricht dem bereits erwähnten PAQ, eignet sich aber in erster Linie zur Verwendung im Produktionsbereich. Für die Logistikbranche ist dieses Verfahren weniger relevant.
Personalbedarf berechnen: Auswirkungen auf die Logistikbranche
Die komplexen Anforderungen der Logistikbranche lassen eine Übernahme vieler Methoden nur teilweise zu. Die Dienstleistungen in dieser Branche sind trotz der technischen Fortschritte nach wie vor sehr personalintensiv. Hinzu kommen saisonale Schwankungen, wie etwa das Weihnachtsgeschäft oder die Urlaubsflaute, die ein langfristiges Berechnen erschweren. Der Personalbedarf unterliegt also in der Logistikbranche sehr starken Fluktuationen, die vor allem durch die Umstände der Branche verursacht werden und weniger durch produktionsbedingte Abläufe.
Hierin liegt aber auch eine große Chance: Je präziser Sie in der Logistik den Personalbedarf berechnen können, umso effizienter können Sie die Kostenfaktoren beeinflussen. Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) hat für die Personalentwicklung der Logistikbranche einen Leitfaden erstellt, der sowohl für große als auch kleinere Unternehmen hilfreiche Hinweise gibt, die aufgrund von Studien und Erhebungen ermittelt und untermauert wurden.
Problematisch ist mittlerweile der Fachkräftemangel, der die qualitative Personalplanung immer schwieriger macht. Eine rechtzeitige Personalbedarfsplanung ist also auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit des entsprechenden Fachpersonals wichtig. Je kleiner die Unternehmen, desto größer der Planungsdruck, denn Ausfälle oder kurzfristige Schwankungen können bei einem kleinen Personalstand ohnehin nicht gut aufgefangen werden.
Denn qualifiziertes Fachpersonal zu bekommen, ist für manche Aufgaben in der Logistikbranche nahezu unmöglich. In einer Umfrage gaben 2018 lediglich 4 % der befragten Experten an, dass sie den Personalbedarf für fachlich spezifische Tätigkeiten ohne Probleme decken konnten.
Fazit: Den Personalbedarf richtig und rechtzeitig berechnen
Neben der quantitativen Ermittlung des reinen Bedarfs an Arbeitskräften ist auch die qualitative Ausrichtung wichtig. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels hat die Logistikbranche zunehmend Schwierigkeiten, den Bedarf aus den verfügbaren Rekrutierungspools heraus zu decken.
Dabei ist die konkrete und zeitnahe Planung nicht nur wichtig, um künftige Auftragslagen überhaupt abwickeln zu können, sondern auch, um den Kostendruck durch Effizienzsteigerung der Bedarfs- und Anforderungsprofile zu senken.
Bildnachweis:©Shutterstock-Titelbild: Monkey Business Images -#01: Monkey Business Images -#02: _Dmitry Kalinovsky -#03: nd3000_-#04: Halfpoint