Welches Verhalten ist richtig? Sollen Lkw-Fahrer erst schauen und dann rechts abbiegen oder muss ein bestimmtes Tempo eingehalten werden? Die StVO wurde im April 2020 in neuer Form verabschiedet und sieht für Lkw ein besonderes Vorgehen vor.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Neue Vorschriften beim Rechtsabbiegen von Lkw: Welches Verhalten ist richtig?
Seit April 2020 ist die novellierte StVO in Kraft getreten. Darin vorgesehen sind Neuerungen in Bezug auf das Rechtsabbiegen von Lkw, die jetzt innerhalb der geschlossenen Ortschaften nur noch in Schrittgeschwindigkeit abbiegen dürfen. Dies gilt für alle Lkw, die über 3,5 Tonnen wiegen und überall dort, wo damit gerechnet werden muss, dass Radfahrer und Fußgänger den Weg kreuzen. Zuwiderhandlungen werden geahndet.
Neue Regelungen für Lkw: Empfindliche Strafen bei Zuwiderhandlungen möglich
Mittlerweile kommt kaum noch eine Spedition ohne Abbiegeassistent für Lkw aus, dennoch sollte die Sicherheit im Straßenverkehr weiter erhöht werden.
Möglich wurde das durch die Überarbeitung der StVO, die im April 2020 in Kraft getreten ist. Nun fragen sich viele Fahrer: Welches Verhalten ist richtig, wenn ich rechts abbiegen möchte? Und womit muss gerechnet werden, wenn gegen die aktuell gültige StVO verstoßen wird?
Lkw müssen andere Vorschriften einhalten als Pkw, wenn sie auf deutschen Straßen unterwegs sind. Daher gelten auch andere Strafen bei Nichteinhaltung von Abständen oder bei Überschreitungen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, diese werden im Bußgeldkatalog gesondert aufgeführt.
Dort gilt: Wenn ein Lkw beim Rechtsabbiegen keine Schrittgeschwindigkeit fährt, obwohl innerorts an dieser Stelle mit Fußgängern und Radfahrern gerechnet werden muss, droht ein Bußgeld in Höhe von 70 Euro. Außerdem wird das Vergehen mit einem Punkt in Flensburg geahndet. Als Schrittgeschwindigkeit wird dabei ein Tempo zwischen 7 und 11 km/h angenommen.
Video: Gefahr im toten Winkel: Wie LKW-Fahrer Fahrräder besser erkennen sollen | Galileo | ProSieben
Abbiegeassistent ist Pflicht
Nicht nur, dass der Abbiegeassistent sehr praktisch ist und zum Teil tödliche Unfälle beim Abbiegen von Lkw insbesondere durch das Abdecken toter Winkel verhindern kann, ist er auch seit der Novellierung der StVO Pflicht. Bereits seit dem 1. Juli 2020 gilt, dass blinkende Seitenspiegel ebenso wie der Abbiegeassistent Pflicht für alle Lkw sind, wobei es hier um neu zugelassene Lang-Lkw geht. Als solche gelten alle Lkw mit einer Länge zwischen 18,75 und 25,25 m.
Bestandsfahrzeuge haben noch eine Schonfrist und müssen erst zum 1. Juli 2022 entsprechend nachgerüstet werden. Danach gilt dann, dass der Abbiegeassistent in allen Lang-Lkw vorhanden sein muss. Dies bedeutet jedoch auch, dass nicht automatisch alle Lkw mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet werden, auch wenn ein Totwinkel-Assistent von einigen Experten für sinnvoll erachtet wird. Ob die aktuellen Regelungen für Lang-Lkw auch auf kürzere Züge übertragen werden, bleibt noch offen.
Wie Abbiege-Assistenzsysteme soll auch eine Rückfahrkamera soll ab 2022 für Kraftfahrzeuge zur Pflicht werden, was auch Transporter und Lkw betreffen wird. Weitere technische Hilfsmittel, die in vielen hochwertigen Fahrzeugen bereits verbaut sind, könnten in den kommenden Jahren im Sinne der Sicherheit ebenfalls zur Pflichtausstattung gehören. Ausweichunterstützung kann insbesondere auf Autobahnen mit viel Verkehr die Sicherheit der Lkw-Fahrer und anderer Verkehrsteilnehmer enorm erhöhen.
Weitere Neuerungen für Lkw
Neben der neuen Vorschrift zum Rechtsabbiegen von Lkw gibt es zahlreiche Neuerungen der StVO, die für Berufskraftfahrer und Spediteure relevant ist. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Neuerungen, die für Fahrer von Lkw wichtig sind und bei denen Zuwiderhandlungen teils empfindliche Strafen bedeuten. Regelungen, wie sie im Ausland zum Beispiel zur Nutzung des Handys am Steuer relevant sind, gelten synonym auch für Lkw-Fahrer und müssen daher von ihnen ebenfalls beachtet werden.
Nichtbilden oder Missachten einer Rettungsgasse
Die Vorschriften in Bezug auf die Bildung von Rettungsgassen wurden verschärft: Wer sich nicht daran hält und damit den Rettungsweg versperrt, muss mit Strafen von bis zu 200 Euro und zwei Punkten in Flensburg rechnen. Außerdem kann ein Monat Fahrverbot verhängt werden.
Verfolgt wird darüber hinaus auch das Durchfahren einer Rettungsgasse, was bis zu 240 Euro Bußgeld und zwei Punkte in Flensburg nach sich ziehen kann. Zusätzlich wird ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Blitzer-Apps sind verboten
Viele Fahrer von Lkw sind gern mal zügig unterwegs und lassen sich durch die Blitzer-Apps vorwarnen. Diese werden vor allem dann genutzt, wenn auf der Strecke viele Baustellen liegen, die wiederum mit einem Tempolimit behaftet sind. Bisher war deren Nutzung weder ausdrücklich verboten noch erlaubt.
Die neuen Regelungen der StVO sehen vor, dass die Verwendung derartiger Warn-Apps auf Smartphones oder auf dem Navi verboten ist. Ein Bußgeld von 75 Euro und ein Punkt in Flensburg drohen.
Unklar ist allerdings, wie die Verwendung der Blitzer-Apps kontrolliert werden soll. Die Polizei darf ein Fahrzeug nicht ohne begründeten Verdacht kontrollieren und das gilt auch für das Smartphone. Im Rahmen einer einfachen Kontrolle darf daher kein Polizist das Smartphone auf aktive Apps kontrollieren oder nachschauen, wann eine einzelne App das letzte Mal verwendet wurde. Insofern ist die Vorschrift zwar klar, die Kontrolle ihrer Einhaltung könnte also vornehmlich auf Spediteure abfallen.
Strafen für Halten und Parken an nicht erlaubten Stellen
Auch für Lkw stellt sich häufig die Frage nach einem idealen Parkplatz, denn die meisten Parkmöglichkeiten erweisen sich als zu knapp bemessen. Eine neue App soll hier Abhilfe schaffen und zeigt freie Parkmöglichkeiten an. Problematisch ist aber nicht nur das Parken, sondern auch das Halten, wenn zum Beispiel Anlieferungen in einem Wohngebiet vorgenommen werden.
Wer in zweiter Reihe und auf einem Schutzstreifen parkt, muss künftig mit einem Bußgeld von bis zu 100 Euro rechnen. Das gilt auch für das Parken und Halten auf Rad- oder Fußwegen.
Das Halten in zweiter Reihe wird mit einem Bußgeld von bis zu 55 Euro bestraft, wird damit jemand behindert, können sogar 70 Euro fällig werden. Wird gegen diese Vorschrift verstoßen und es kommt zur Gefährdung oder Sachbeschädigung, droht dem Fahrer des falsch parkenden Lkw sogar ein Punkt in Flensburg.
Wer ordnungswidrig auf Geh- und Radwegen parkt, muss mit denselben Bußgeldhöhen rechnen. Um Radfahrer zu schützen, gilt überdies jetzt ein generelles Halteverbot auf Schutzstreifen, die Auto- und Radverkehr trennen.
Wer mit seinem Lkw in Einmündungsbereichen oder vor Kreuzungen parkt, muss ebenfalls auf den Radweg achten: Verläuft dieser neben der Straße und ist durch ein Verkehrszeichen gekennzeichnet, ist die Parkverbotszone auf acht Meter ausgedehnt worden. Maßgeblich sind dabei die Schnittpunkte der jeweiligen Fahrbahnkanten. Fünf Meter beträgt die Parkverbotszone, wenn von den Eckausrundungen der Fahrbahnen ausgegangen wird.
Video: Blitzer-Apps 2020: Neu, was ist jetzt erlaubt und was verboten? | ADAC | Recht? Logisch!
Überholen mit ausreichendem Seitenabstand
Bisher war die StVO eher schwammig ausformuliert und sprach von einem „ausreichenden“ Seitenabstand zu Radfahrern, Fußgängern und Elektrokleinstfahrzeugen. Diese Formulierung wurde mit der Novelle der StVO überarbeitet und mit festen Maßen ergänzt. Jetzt gilt, dass außerhalb der Ortschaften ein seitlicher Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten ist, innerhalb geschlossener Ortschaften sollen es wenigstens 1,5 Meter sein.
Zusätzliche Verkehrszeichen für Lkw
Wer mit dem Lkw unterwegs ist, wird immer wieder neue Verkehrsschilder sehen. Es gibt zum Beispiel jetzt eines, das das bevorzugte Parken sogenannter Carsharing-Fahrzeuge erlaubt. Kommunen dürfen überdies reine Fahrradzonen einrichten, dort dürfen nur noch Fahrradfahrer und Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen unterwegs sein. Maximal gilt hier eine Geschwindigkeit von 30 km/h.
Des Weiteren gibt es nun einen Radschnellweg, ein Überholverbot von Zweirädern, den Grünpfeil nur für Radfahrer und das Schild für das Lastenfahrrad. All diese Zeichen müssen bei der Suche nach Park- und Haltemöglichkeiten sowie beim Fahren unbedingt beachtet werden!
Tempolimits für Lkw in Europa (Video)
Eigentlich sollte die Novelle der StVO eine Limitierung des Tempos auf deutschen Autobahnen vorsehen, doch dieses wurde bisher nicht eindeutig festgelegt. Aktuell gilt in Spanien ein Tempolimit von 30 km/h auf Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften, sofern diese einspurig sind.
Auf mehrspurigen Straßen darf bis zu 50 km/h gefahren, allerdings können die Gemeinden das Tempolimit selbst festlegen. Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h sollen dort in Zukunft 300 Euro kosten, was eine Verdreifachung der bisher geltenden Bußgelder darstellt.
Weitere Neuregelungen für Lkw
Die Beantragung von Erlaubnissen und Ausnahmegenehmigungen soll für Lkw künftig einheitliche Gebühren kosten, außerdem soll nur noch eine Behörde dafür Ansprechpartner sein.
Einfahrverbote für bestimmte Lkw-Gewichtsklassen sowie Lkw-Typen zu missachten, kann teuer werden. Wer den weißen Querstrich auf rotem Grund missachtet, muss mit 40 bis 50 Euro Bußgeld rechnen. Bisher wurde hier nur die Hälfte der Gebühren fällig.
Video: Abbiegeassistenten für LKW im Vergleich I ADAC
Weitere Neuregelungen in Europa
Auch Italien dreht an der Bußgeldschraube und geht hart gegen Handysünder vor. Wer hier mit dem Telefon in der Hand am Steuer erwischt wird, muss mit einem Bußgeld von mehr als 400 Euro rechnen, außerdem droht ein Fahrverbot zwischen sieben und 30 Tagen. Wer wiederholt erwischt wird, riskiert ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten. Bisher waren die Strafen dagegen eher moderat, denn es drohte lediglich ein Bußgeld von 165 Euro.
Auch in Großbritannien wurden die Strafen für das Handy am Steuer angehoben, dort werden bis zu 236 Euro (rund 200 Pfund) fällig. Lkw müssen überdies die strengen Emissionsnormen berücksichtigen, die für die Londoner Umweltzone seit Oktober 2020 gelten.
Kritik an der Novellierung der StVO für Lkw
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. hat die Novelle kritisiert, sie wurde dennoch verabschiedet. Es ging dabei zum Beispiel um die neuen Vorschriften zum Rechtsabbiegen in Schrittgeschwindigkeit. Der BGL sieht in der Novelle keine Garantie dafür, dass sich Unfälle mit Fußgängern oder Radfahrern nun vermeiden ließen.
Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass in rund 90 Prozent der Fälle die Geschwindigkeit beim Zusammenstoß von Lkw und Radfahrer ohnehin nur 20 km/h betrug, in 15 Prozent der Fälle wurde die Kollisionsgeschwindigkeit sogar mit 0 km/h angegeben. Die entsprechende Studie wurde bereits 2015 durchgeführt und ihre Ergebnisse in Heft 104 der „Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen“ veröffentlicht.
Der BGL geht davon aus, dass mit der Novelle eine scheinbare Sicherheit vorgegaukelt wird, die zu mehr Unaufmerksamkeit bei den Radfahrern und Fußgängern und dadurch provozierten Unfällen führen könnte. Immerhin sei das Unfallgeschehen auch durch deren Geschwindigkeit beeinflussbar. An den Rechten und Pflichten von Radfahrern und Fußgängern bezüglich deren Geschwindigkeiten wurde jedoch nicht gerüttelt.
Außerdem forderte der BGL, dass die Abbiegeassistenten nicht nur warnen sollten, sondern in der Lage sein müssten, aktiv zu bremsen bzw. eine Notbremsung auszulösen. Ansonsten würde immer vom Fahrer ein aktives Handeln gefordert, was wiederum wertvolle Zeit für die Bremsung verstreichen ließe. Der BGL forderte daher schon seit Langem eine Pflicht zum Einsatz von Notbremsassistenzsystemen und eine Verankerung des Abschaltverbots dieser Systeme. Davon war in der Novelle der StVO jedoch keine Rede.